Als das Buch herauskam hat meine beste Freundin es gelesen und was blieb mir anderes übrig, ich las es auch. Ja, es ist eklig, für jeden Geschmack ist etwas dabei, das einem die Zehennägel aufrollt. Aber meiner Meinung nach hat das Buch absolut seine Daseinsberechtigung: Es macht den Kopf frei, wo die Gesellschaft Schranken einbaut. Gestern waren wir im Film. Ich urteile: knapp daneben. Was ist also am Film auszusetzen?
Autorin Charlotte Roche versteht sich selbst Feministin, sie will einen „sexpostitiven“ Feminismus vertreten.
Mit ihrem Buch und nun dem Film wendet sie sich gegen Rasurzwang, übertriebene Hygiene, knapp die Verteufelung des menschlichen (besonders des weiblichen) Körpers mit allem was dazugehört.
Das finde ich gut, denn was wäre das für eine tolle Einstellung: Körper sind nicht schmutzig, nur weil sie funktionieren und nicht hässlich, bloß weil sie nicht aus Plastik sind und 1:1 dem irgendeines dieser wandelnden Kleiderbügel entsprechen.
Man muss die Art und Weise, auf die Roche versucht, gegen den Schönheits- und Reinheitswahn anzugehen nicht mögen, aber wenn man verstanden hat, was sie da tut, dann hat es Hand und Fuß.
109 Minuten lang spielt die Protagonistin Helen also mit ihrem Körper, allen dazugehörigen Ausscheidungen und dem Ekelgefühl des Publikums unter dem Motto „offener Umgang mit dem, was gewöhnlich keiner sehen will“. Der Film wirkt soweit wie das Buch: man ekelt sich, mal mehr mal weniger und bekommt das Hirn frei geblasen.
Dass das Buchlese-Kopfkino und der aus dem Buch entstandene Film nicht identisch sind ist gut, sonst hätte ich ja kein Geld für die Kinokarte ausgegeben. Was mich aber gigantisch stört:
Der Film zeigt ohne viel Tamtam nackte Menschen. Sogar auf eine Pizza ejakulierende Penisse in Großaufnahme werden den Zuschauern zugemutet, 109 Minuten lang kann ich aber keine einzige Vulva entdecken. Was soll ich denn bitte davon halten?
Man hätte natürlich auch ganz auf explizite Darstellungen verzichten können, das hätte diesem Film seltsam angestanden, doch entweder oder.
Dabei räkelt sich Protagonistin Helen ganz freizügig und völlig ohne Scham. Soll dieser Film nicht schockieren, uns Zuschauern die Kopfschranken knacken? Noch nie habe ich verstanden, was an einem nackten Menschen nun so schlimm, so schlecht sein soll.
Die Kameraführung jedenfalls versteckt das weibliche Geschlecht schamhaft hinterm Schamhaar. Helens Po, Helens Knie, Helens Oberschenkel, Helens Schambehaarung, Helens Brüste, Helens Bauch.
Hier wird keine Schranke geknackt, kein positiver Umgang mit dem weiblichen Körper geübt. Die Kamera bleibt brav, dort wo die Gesellschaft sie haben will. Denn zwischen Helens Beinen liegt es, das Unaussprechliche, das Unffilmbare.
Bleibt also eine Frage: Frau Roche, wo sind die ganzen Pussies?